Von diesem hawaiianischen Sprichwort geleitet, werde ich meine persönliche Perspektive des Hula offenlegen und mit Ihnen teilen, was ich gelernt habe.
Die verbreitete Vorstellung unter den Leute heute ist: ein bisschen mit den Hüften gewackelt, ein bisschen mit den Händen gewedelt – und voilà! Das sei schon Hula. Was für ein grobes Missverständnis! Ja, Hula ist eine sehr sinnliche Erfahrung. Hula ist aber auch ein Ausdruck von Poesie und Erzählung. In dieser Hinsicht ist er dem Ballett und der Oper nicht unähnlich. Einige halten Hula für den Tanz und die Musik der indigenen Bevölkerung Hawaiis. Auch das ist wahr, aber noch längst nicht alles: Hula ist die Dramatisierung und Verewigung der hawaiianischen Lebensader (aho). Auch sind da jene, denen Hula ein Mittel zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit und Ruhm ist. Ja, das stimmt, allerdings wird die spirituellen Essenz (aka uhane) immer gewürdigt.
Als Hulatänzerin, -choreografin und -lehrerin und als Leiterin der Hulaschule Kahiko Halapa'i Hula Alapa'i, bin ich dafür verantwortlich sicherzustellen, dass meine Schüler ihre Erfahrungen nicht nur im Tanz, sondern auch im Kunsthandwerk machen und ihr Können in all diesen Bereichen perfektionieren. Es ist auch meine Verantwortung, ihnen einen bewussten Umgang mit der Natur zu vermitteln und vor allem sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, sich treu zu bleiben. Nur so kann die Einheit von Geist, Körper und Seele erreicht werden. Die große Frage bleibt: Wie kann man diese Ziele heutzutage erreichen, wo das Leben so kompliziert und schnell geworden ist?
Damals, in den alten Zeiten als das Leben noch weniger komplex und relativ langsam ablief, stand der Hula nur einer exklusiven Gruppe von Menschen offen, die ihr Leben vollständig dem Hula widmeten. Das bedeutete, dass diese Menschen ihre Loyalität, ihr Aloha und ihren Respekt dem halau (Schule) und dem kumu hula (Hulalehrer) entgegenbrachten. Und das bedeutete, dass sie alle gemeinsam unter strengen Regeln lernten, übten, lebten, arbeiteten und beteten – bis zum Zeitpunkt des uniki (Graduierung). Dann strömten sie voller Begeisterung auf die "Bühne", um das Gelernte zur Schau zu bringen und die Bewunderung und die Unterstützung der Höchsten und Niedrigsten Vertreter ihres Volkes zu bekommen. Es war ihr Leben! Ihre Aufgabe war Unterhaltung, war Inspiration, war das Wachrufen von Erinnerung und Begeisterung und war die Vermittlung von Wissen und Wahrheit in spirituellem Bewusstsein.
Wichtig ist, dass wir uns heute daran erinnern, dass Hula eine Tradition ist, deren Schöpfergeist auf dieser klassischen Grundlage beruht. In unseren kreativen Bestrebungen dürfen wir diese vormoderne klassische Grundlage nicht aus den Augen verlieren, wenn wir die Essenz und Einzigartigkeit des Hula erhalten wollen.
Das moderne Hawaii ist ein Gepräge unterschiedlichster Menschen. Viele lernen Hula aus reinem Vergnügen, während andere damit ein Publikum unterhalten wollen. Einige nehmen Hulastunden für ihre körperliche Fitness, als Therapie, als Stoff für ein neues Buch, oder als Unterstützung in ihrem Beruf. Es gibt jene, die Hula lernen, weil sie sich "hawaiianisch fühlen" und sie die hawaiianische Kultur kennen lernen möchten. Was auch immer die jeweilige Motivation ist, Hula ist längst nicht mehr auf eine exklusive Gruppe von Menschen beschränkt. Hula steht jedem offen, der das Verlangen, die Geduld, die Ausdauer und das Ziel hat, dieses harte und anspruchsvolle Training auf sich zu nehmen.
Es ist die einzigartige Schönheit des Hula, dass er jederzeit, an jedem Ort und in jeder Situation getanzt werden kann. Männer und Frauen jeden Alters können ihn tanzen.
Die Kraft des Hula liegt darin, dass er Tänzer und Zuschauer, Zeit und Raum übersteigt. Er reicht in die Tiefen der emotionalen Urquelle und kann von dort Tränen aufsteigen lassen, ein Lachen reiner Freude oder einen Schauer von Gänsehaut. Im Gemisch der Expertise des Tänzers, der Musik, der Geräusche, Kostüm, Schmuck und Gerüche entsteht eine Atmosphäre, die Erinnerungen an einen besonderen Ort wecken, an einen besonderen Menschen, einen besonderen Moment. Dann wird Hula zur Illusion.
Hula ist ein Lebensweg. Hula verlangt vom Leben keine Opfer. Hula ist eine positive, lebensspendende Kraft mit den Charakteristiken von laka (Vorfahre und Gottheit des Hula und des Kanubaus; zähmen, domestizieren, anlocken, begeistern; zugeneigt, sanftmütig), lama (eine Baumart aus der Familie der Ebenhölzer; Fackel, Licht, Lampe, Erleuchtung, Aufklärung; medizinisch genutzt), und den anderen Göttern/Vorfahren des Hula. Aber ich werde Sie nicht mit einer Aufzählung der Götter, ihrer Funktionen und Bedeutungen belasten. Wichtiger ist die Verbindung des Hula und seiner Disziplin mit der Domestizierung und Zähmung des Ego. Wir lernen unser Ego zu kontrollieren, als Voraussetzung eines freien Lebens in Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit unseren Mitmenschen. Wir lernen Sensibilität, Rücksichtnahme, Demut, Fürsorge, Freiheit von Angst, Anpassungsfähigkeit und Attraktivität. Wir erwerben Wissen in der Heilkunst, obwohl wir heutzutage eher auf Ärzte angewiesen sind. Wir zu einem klaren Bewusstsein angeregt, damit wir zum moralischen und spirituellen Fortschritt beitragen können. Aufgrund unseres modernen Lebensstils, dauert dieser Aspekt der Ausbildung länger. Wir erreichen diese Ziele durch Zuhören, Beobachtung, Übung und Gebet.
Wer die Gebete des Hula studiert, dem wird auffallen, dass sie einem Muster folgen. Die Form eines Gebets richtet sich nach dem Grund für das Gebet. Die Gebete beinhalten Anerkennung, Würdigung, Reinigung, Vergebung und Bitte. Die Gebete werden in poetischer Form dargeboten, sprachgewandt formuliert und freigegeben.
“Noho ana ke akua i ka nahelehele
I alai ia e ke kiohuohu, e ka ua koko.
O na kino malu i ka lani e.
E malu e hoe.
E ho`oulu mai ana o Laka o kona kahu o makou
O makou noa e.”
“The god dwells in the woodlands
Hidden away in the mist, in the low hanging rainbow.
Oh, Being, sheltered by the heavens.
Clear our path of all hindrance.
Inspire us.
Oh, Laka, and dwell on your altar.
Free us.” *
(* Tarter, Elizabeth – “Nineteenth Century Hawaiian Chant”, Pacific Anthropological records, Number 33, 1982, pg. 128, Number 6 )
Die Gottheit lebt im Wald.
Vom Nebel verhüllt, vom tief liegenden Regenbogen.
Wesen, unter dem Schutz der Himmel.
Befreie unseren Weg von allen Hindernissen.
Inspiriere uns, Laka, und bewohne deinen Altar.
Lass uns frei.
Dies ist mein ho`okupu (zeremonielle Überreichung einer Gabe als Zeichen der Verehrung und des Respekts) an Sie mit meinen wärmsten Grüßen und aloha.
(Übersetzung aus dem Englischen: KAIMI)
Roselle K. Bailey mit George Naope, Foto: Boone Morrison